GLEIMHAUS
Museum der deutschen Aufklärung
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Häuser und Menschen. Die Halberstädter Altstadt in Zeichnungen
von Erhard Wolf (1907-1980)
Ausstellung im Gleimhaus Halberstadt
4. Juni bis 3. September 2023
1976 trat der Architekt Erhard Wolf mit dem Beginn seines siebzigsten Lebensjahrs in den Ruhestand. Sein Leben lang hat er neben seiner beruflichen Tätigkeit gezeichnet – bevorzugt: historische Architektur. In seiner Wahlheimat Halberstadt hatte er diesbezüglich ein überaus reichhaltiges Revier, zunächst die geschichtsvolle, stattliche und malerische Fachwerkstadt, dann die Trümmerwüste, dann Erhaltenes und neu Entstehendes.
Im Jahr vor Wolfs Renteneintritt war eine Leitplanung zur Erneuerung der Stadt verabschiedet worden. Demnach sollte die Unterstadt, die bis dahin im Wesentlichen geschlossen erhaltenen war, größtenteils abgebrochen werden. Die Fachwerkhäuser sollten durch Plattenbauten ersetzt werden. Dass die Altstadt als Flächendenkmal in die Denkmalliste des Bezirks Magdeburg aufgenommen wurde, sollte ihr keinen wirksamen Schutz bieten. In den 1980er Jahren wurde der Abbruch schrittweise ins Werk gesetzt und erst durch das Ende der DDR gestoppt.
Die umfangreiche Serie von Halberstädter Altstadtansichten, die Wolf in den Jahren 1976 und 1977 schuf, war die Darstellung von Häusern, Höfen und Stadträumen, die großenteils dem Untergang geweiht waren. In Anbetracht dessen verwundert das bunte Leben auf Wolfs Bildern. Und gerade dieses kommt hier mit Bestimmtheit zur Geltung, denn der Zeichner verwendete nicht nur Kohle und Bleistift, sondern vielfach auch Aquarell- und Deckfarben sowie Buntstifte. So bilden die grünen Blusen, roten Hosen, blauen Jacken der Halberstädterinnen und Halberstädter, ein rosagestreiftes Kleid, ein gelber Ball, ein grüner Trabant, ein blauer Klaufix farbige Akzente im Stadtbild. Die Farbe und das vielfach große Format hat Wolf den Fotografen voraus, die sich gleichzeitig mit ihm an die bildliche Dokumentation der Altstadt machten. Als Darstellungen der Halberstädter Altstadt, darunter viele verschwundene Häuser und Winkel, wie auch des Lebens in diesen Mauern rufen diese Zeichnungen Erinnerungen wach.
Wie Wolf als Architekt zur Ersetzung der Fachwerkquartiere, die er als Zeichner so liebte, durch Neubauten wohl gestanden haben mag? Über die Person Erhard Wolfs ist wenig bekannt. Nach einer Zimmermannslehre, dem Architekturstudium im Dresden und ausgedehnten Studienreisen erhielt er 1935 eine Stelle in der Bauleitung der Luftwaffe in Halberstadt. Aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, fand er 1947 eine Anstellung beim Stadtbauamt und war in den folgenden zwei Jahren an den Anfängen des Wiederaufbaus der Stadt beteiligt, insbesondere an der Planung des HO-Warenhauses am Fischmarkt, der Schule der Sargstedter Siedlung und des Theaters. 1950 wechselte er in die Halberstädter Außenstelle des Landesprojektierungsbüros für das Bauwesen Sachsen-Anhalt Magdeburg, das später auch die Bezeichnung VEB Hochbauprojektierung führte, in den späten 1960er Jahren dem Wohnungsbaukombinat zugeordnet wurde und seine Büroräume im Heine-Haus hatte. Nach wenigen Jahren des Ruhestandes, die mit reger zeichnerischer Tätigkeit ausgefüllt waren, starb Wolf bereits 1980.
Wolfs Serie von Altstadtansichten entstand in einer Zeit, die für das Stadtbild Halberstadts überaus folgenreich war. Sie wird in der Grafischen Sammlung des Gleimhauses aufbewahrt und erstmals in einer Ausstellung präsentiert. Eine begleitende Bildermappe soll verhindern, dass die Darstellungen und ihr Urheber wieder in Vergessenheit geraten.