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Büste von Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Die Ausstellung "Von Mensch zu Mensch - Porträtkunst und Porträtkultur der Aufklärung" versammelte als eine Art Fallstudie von Porträtkunst und Porträtkultur alle Bildnisse Gleims, die uns bislang bekannt sind, in einem Raum. Bereichert wurde diese Serie durch eine Gipsbüste, die erst wenige Wochen vor Ausstellungsbeginn vollendet wurde. Norman Lodahl (Jg. 1974), gebürtiger Halberstädter, gelernter Steinmetz und Absolvent des Studiengangs Theaterplastik der Hochschule für Bildende Künste Dresden hat als Teil seiner Studienabschlussprüfung zuwege gebracht, was zu Lebzeiten Gleims versäumt worden ist, eine Porträtbüste des Halberstädter Dichters und Sammlers zu schaffen. Lodahl arbeitete auf der Grundlage sämtlicher Bildnisse Gleims, die ihm vom Gleimhaus in Abbildungen zur Verfügung gestellt worden waren - von den frühen Porträts von der Hand Gottfried Hempels über die physiognomisch sehr bestimmten Darstellungen Johann Heinrich Tischbeins d. Ä. bis hin zu den Altersporträts Karl Christian Kehrers, Johann Friedrich August Tischbeins und Georg Friedrich Adolph Schöners, und neben den Gemälden auch grafische Bildnisse, darunter auch ein Profilbildnis sowie Silhouetten. Somit stand dem Künstler umfangreiches und aussagefähiges Porträtmaterial zur Verfügung. Unter allen Bildnissen hat sich in der Büste Gleims das erst jüngst als Porträt des Dichters und Sammlers Gleim identifizierte Bildnis Kehrers durchgesetzt (Abb.). Lodahl zeigt uns den geselligen, heiteren, lebhaften Gleim, den alten Gleim, wie er als ‚Vater Gleim' zur volkstümlichen Figur geworden ist.

Lodahl arbeitete realistisch, gibt ein nach Lebensalter bestimmtes Persönlichkeitsbild, nicht etwa ein altersloses Ideal. Doch er arbeitete nicht historisierend. Zwar zeigt er Gleim im Kostüm und mit der Haartracht seiner Zeit, doch ist sein Werk nicht wie eine klassizistische Büste angelegt. Wenn der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow, mit dem Gleim tatsächlich in Verbindung stand, ein Altersporträt des Halberstädter Dichters geschaffen hätte, dann eine Büste in klassischer Hermenform oder mit halbrundem Abschluss und rundem Büstenfuß sowie außerdem mit glatter Oberfläche. Lodahl beließ der Oberfläche die Bearbeitungsspuren des formenden Daumens und erfand einen abstrakten Büstenabschluß, indem er diesen aus dem Revers des Rockes ableitete. Klassizistischer Kühle und Strenge wirken auch die tiefen, verlebendigenden Aushöhlungen von Pupillen und Schläfenrollen entgegen.

Dank der Spendenbereitschaft der Mitglieder des Förderkreises Gleimhaus e. V. und der Gäste des Neuen Familienkundlichen Abends konnte der Ausguss erworben werden, der dem Gleimhaus vom Künstler für die Ausstellung als Leihgabe zur Verfügung gestellte worden war. Die Form lässt die Herstellung nur weniger weiterer Ausgüsse zu. Bestellungen vermittelt das Gleimhaus.